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Die Konjunktur lässt in der Schweiz auf sich warten

Donnerstag, 26. Mai 2016

Ökonom Klaus W. Wellershoff war der Gastreferent am Clientis Finanzforum im vollbesetzten Uzwiler Gemeindesaal. Er zog ein Fazit aus dem ersten Halbjahr 2016 und blickte aufs zweite Semester. CHRISTOF LAMPART

 

UZWIL. Geht es nach Ökonom Klaus W. Wellershoff, so bleibt die Weltkonjunktur in den nächsten Monaten ebenso verhalten wie jene der Schweiz. Generell befände sich Europa wirtschaftlich im Aufschwung, China auf rasanter Talfahrt.

Die Schweiz sei wirtschaftlich stark abhängig von dem, was weltweit passiere – und das sei gerade nicht ermutigend. Das Trendeinkommen sei in allen Industrienationen rückläufig. Die USA habe zudem ein Überalterungs- und ein Infrastrukturproblem. «Gehen Sie mal in die Städte – da sind viele Strassenzüge vergammelt, weil seit Jahrzehnten praktisch nichts mehr unternommen wurde», sagte Wellershoff zu den zahlreichen Zuhörern im Gemeindesaal.

China wird zum Problemfall

China – im ersten Jahrzehnt des Jahrtausends der führende Wachstumsfaktor in der Weltwirtschaft – stürze sogar bis Ende dieses Jahrzehnts auf unter vier Prozent ab. Dass sei zwar immer noch mehr, als die USA, die Schweiz, Europa oder Japan in diesem Jahrtausend je erreicht hätten, aber weit entfernt von den über zehn Prozent vor wenigen Jahren. China werde nicht heute oder morgen, aber ganz sicher in einigen Jahren «zum Problemfall», denn die chinesische Regierung stütze die Wirtschaft mit Krediten, die nicht zurückzahlbar seien. Bereits heute belaufe sich die Verschuldung der chinesischen Privatwirtschaft, der Haushalte und des Staats auf 225 Prozent des Bruttoinlandproduktes.

Hingegen gehe der Aufschwung in Europa weiter. In Deutschland, Frankreich und Italien lege die Konjunktur in 2016 um gut zwei Prozent zu. Hier seien die Konjunkturumfragen für 2016 positiver als das reale Bruttoinlandprodukt; bei beidem dürfte sich das Wachstum jedoch bei etwas unter einem Prozent einpendeln.

Schweiz: Schwache Konjunktur

Für Wellershoff ist klar: «Die Schweizer Konjunktur bleibt schwach.» Dabei falle ins Gewicht, dass besonders der Handel (minus 3 Prozent), der Energie- und Finanzsektor gegenüber dem Vorjahr um jeweils zwei bis drei Prozente geschrumpft seien. Selbst der Bau stagniere um die Null-Prozent-Grenze herum. Einzig klar positiv sei der Bereich Gesundheit/Soziales mit einem Wachstum von rund 5 Prozent.

Die Inflation kommt

Insgesamt stünden die Zeichen klar auf einem langsamen Anstieg der Inflation. Als Treiber dürfte sich auch der Ölpreis entwickeln, der seit Anfang 2016 fast um die Hälfte (von 25 auf 46 Dollar das Barrel) zugelegt habe, aber auch der sich weiter gegenüber dem Euro abschwächende Franken und die Tatsache, dass die Schweizerische Nationalbank die eigene Geldmenge innert kurzer Zeit versechsfacht habe. Wenig Positives erwartet Wellershoff vom Aktienmarkt. «Investieren Sie lieber in Immobilien oder Obligationen», antwortete er auf eine Frage aus dem Publikum.

Auch zum «Brexit» äusserte Wellerhoff eine klare Meinung: «Die Briten haben ja im Grunde genommen von ihrem Wesen schon etwas Suizidales an sich, was sie irgendwie sympathisch macht. Aber bei einem Ja zum <Brexit> würden das viele EU-Länder an den Briten als ein Exempel statuieren, um weitere Abspaltungen zu verhindern. Und das würde für die Briten hässlich werden», so Wellershoff.