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"Der Wein muss schmecken"

Montag, 12. September 2011

Im Thurgau ist die Weinlese im Gange – ein gutes Rebenjahr, sagen die Winzer. Uneinig sind sich die Weinbauern aber darüber, ob nun der biologische oder der konventionelle Anbau besser ist.

CHRISTOF LAMPART

Die Frage, ob biologischer oder konventioneller Weinbau besser ist, ist auch nach einer Umfrage bei Thurgauer Weingütern alles andere als entschieden. Einiges ist aber klar: So macht «Bio» bedeutend mehr Arbeit als der konventionelle Anbau. Dies soll aber nicht auf Kosten des Ertrags gehen. «Bio heisst für mich nicht, weniger zu ernten», erklärt Roland Lenz vom Weingut Lenz in Uesslingen. Bei ihm am Iselisberg hat die Umstellung erst beim zweiten Mal geklappt. Nachdem er 1994 erstmals biologisch angebaut hatte, musste er 1998 wieder damit aufhören. «Ich hatte 30 Prozent zu wenig geerntet.» Dies war vor allem deshalb problematisch, weil es Lenz so nicht möglich war, die Preise stabil zu halten.

2004 startete er «aus Überzeugung» einen zweiten Versuch mit Bio-Weinen – und hat damit Erfolg. Dennoch ist für den Winzer das Label «biologisch» kein Verkaufsargument. «Das darf es auch nicht sein. Hier geht es alleine um die Pflanze. Wenn diese gut genährt wird und im Gleichgewicht wächst, dann ist auch ihre Widerstandskraft gegenüber den Pilzkrankheiten am grössten. Und wenn das stimmt, dann stimmt es auch bei den Trauben und später im Keller», so Roland Lenz.

Auch Spitzengüter stellen um

Beim zweiten Blick fällt auf, dass «biologisch» kein fester Begriff ist. Einige Eigenkelterer wie Michael Broger oder Michael Burkhart (beide vom Ottenberg) haben bereits oder sind dabei, den Betrieb auf die biologisch-dynamische Anbaumethode umzustellen. Eine Produktionsart, die noch weiter geht als für ein «Bio»-Label nötig wäre. Ziel dieser Methode ist es, ein Gleichgewicht zwischen Böden, Pflanzen, Tieren und Menschen herzustellen. Das reicht vom nährstoffhaltigen Humus bis zur bewussten Lebenshaltung des Weinbauern. Für Michael Broger ist diese Praxis, die vor allem in der drei bis vier Jahre dauernden Umstellungsphase sehr arbeitsintensiv ist, «ganz natürlich. Ich habe schon immer danach getrachtet, die Pflanzen natürlich zu stärken, bin ich doch überzeugt, dass dies meinem Wein zugutekommt.» Michael Burkhart sagt, dass diese Anbaumethode kein Spleen ist. «Viele renommierte Weingüter, auch in Frankreich, verfahren mittlerweile nach dieser Methode.»

Konventionell, aber sehr gut

Von Naturschutz hält auch Burkharts Nachbar am Ottenberg, Benno Forster, viel – und doch kommt für ihn nur der konventionelle Anbau in Frage. «Natürlich schauen wir, was wir verbessern können, um die Reben möglichst wenig spritzen zu müssen. Dies erreiche ich aber, indem ich auf sehr fäulnisresistente Rebensorten setze.» Johannes Meier vom herkömmlich anbauenden Weingut Bachtobel ist mit dem Integrierte-Produktion-Standard, der eine naturnahe und tierfreundliche Landwirtschaft fördert, «zufrieden». Biologisch müsse sein Wein nicht sein, sondern «den Kunden schmecken». Und für Andreas Wolfer, Weinbauer aus Weinfelden, hat die biologisch-dynamische Anbaumethode noch einen gewichtigen Nachteil: «Die Anbaumethode ist sicherlich nicht schlecht, aber es ist auch nicht alles unproblematisch, wird doch dabei Kupfer eingesetzt, das danach die Erde belastet.» Das stimme zwar, erklärt Michael Broger, doch habe man in den letzten Jahren – unter anderem auch durch den Gedankenaustausch unter Gleichgesinnten – grosse Fortschritte bei der Reduzierung des Kupferanteils gemacht. «Auf befreundeten Betrieben und auf meinem eigenen Betrieb wird zwischenzeitlich deutlich weniger Reinkupfer ausgebracht als es bei konventionellen IP-Betrieben zulässig ist», so Broger.

Eines haben die Weinbauern aber gemeinsam: Am liebsten würden sie gar nicht spritzen müssen. «Vor 100 Jahren war das Spritzen unbekannt. Erst mit der internationalen Schifffahrt wurden die Schädlinge eingeschleppt», sagt Benno Forster. Doch so weit, dass alle Schädlinge verschwinden, wird wohl in absehbarer Zeit niemand das Rad zurückdrehen können – ganz egal, welche Anbaumethode er verwendet.