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Dem Cannabis verfallen

Donnerstag, 16. Juli 2015

Im vergangenen Oktober gegründet, ist der auf Cannabisprodukte spezialisierten Thurgauer Medropharm GmbH mit Hanfpulver bereits der Sprung nach Kanada geglückt. CHRISTOF LAMPART

KRADOLF. Vor fünf Jahren lernten sich der Thurgauer Landschaftsgärtner Mike Toniolo und der Zürcher Lebensmitteltechnologe Oliver Tschäppät am OpenAir St. Gallen kennen. Sie fanden rasch ein gemeinsames Thema: «Wir waren beide der Meinung, dass es hier keinen guten, ökologischen Pflanzendünger gibt und beschlossen, selbst einen zu entwickeln», sagt Toniolo. Auf der Suche nach einem biologischen Düngemittel lernten sie ihren dritten Partner kennen, Geschäftsmann Patrick Widmer, der einen Wachstumsstimulator für Urban Gardening entwickelt hatte. Zusammen gründete das Trio die Medropharm GmbH, die sich dann aber die Herstellung von Industriehanf-Produkten auf die Fahnen schrieb.

Bei der Verarbeitung des Industriehanfs geht es Medropharm nicht um die illegale Nutzung des psychoaktiven THC, das der hauptsächlich rauschwirksame Bestandteil der Hanfpflanze ist, sondern um die legale Extraktion und den Verkauf von CBD. Dies ist ein schwach psychoaktives Cannabinoid aus EU-zertifiziertem Industriehanf, das in vielen aussereuropäischen Ländern in Kosmetika und Nahrung angewendet wird, aber auch in der Medizin. Es wirkt entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit. So schwört beispielsweise der an Parkinson erkrankte Schauspieler Michael J. Fox auf die Einnahme von CBD-Produkten. Diese erlauben es Fox laut eigenen Angaben, wieder seinem Beruf nachzugehen.

Nach EU-Bestimmungen

Kein Wunder also, ist in Nordamerika der Bedarf an qualitativ hochwertigem CBD gross – zumal von den grossen CBD-Herstellungsländern China wegen Umweltgiften nicht den besten Ruf hat und in der Ukraine die Produktion unter dem Krieg leidet. Da kommt den Nordamerikanern ein Hersteller wie die Kradolfer Medropharm GmbH wie gerufen. Ihr Industriehanf wird unter der Einhaltung strenger EU-Regeln und konstanter Überwachung auf einer Fläche von über 3500 Hektaren im europäischen Ausland angebaut.

Aufwendige Qualitätssicherung

Anschliessend werden die Rohstoffe vom Samen bis zur Produktentwicklung analysiert. Die Produkte werden in zertifizierten Anlagen hergestellt und getestet, was in der boomenden Branche sehr selten ist und auch nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Denn in Mitteleuropa lässt sich nur schwerlich eine Firma finden, das dazu bereit ist, Hanfpulver herzustellen. Wegen seines Rufes als Rauschmittel hat Cannabis bei Pharmafirmen einen schweren Stand, auch wenn man beim Industriehanf rechtlich auf der sicheren Seite ist. So war denn auch in der Schweiz die Produzentensuche erfolglos. «Wir lassen in Süddeutschland herstellen», sagt Tschäppät, ohne die Firma zu nennen.

Produktion vervielfachen

Immerhin hat die aufwendige Fertigung von CBD-Pulver dazu geführt, dass Medropharm mit der kanadischen Firma Naturally Splendid Enterprises aus Vancouver ins Geschäft kam. Widmer sieht grosses Potenzial: «Unser Anbau und Bestand sind ausreichend, damit Naturally Splendid mit unseren CBD-Produkten einen Jahresumsatz von rund zehn Millionen US-Dollar erarbeiten kann. Wir sind zuversichtlich, dass Naturally Splendid angesichts der Weiterentwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen in den USA jährlich bis zu zehn Tonnen des Produkts verkaufen kann.» Bis Ende Jahr wird Medropharm zwei Tonnen Hanfpulver nach Vancouver liefern. «Das ist ganz schön viel, aber der Bedarf ist viel grösser», sagt Tschäppät. «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, ein Mehrfaches zu produzieren.»