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Das Leder lässt sie nicht los

Mittwoch, 19. Februar 2014

Als die Gerberei Gimmel in Arbon 2012 den Betrieb einstellte, verlor Andri Lohnke aus Egnach seine Stelle. Danach pendelte er eine Weile nach Genf. Seit Mai 2013 führt er in Romanshorn eine eigene Leder- und Textilfirma.

CHRISTOF LAMPART

ROMANSHORN. Gelernt hat der heute 49jährige Andri Lohnke einst Autosattler. Später polsterte er Boote, reiste als Leder-Servicemann durch die Schweiz und verkaufte bei der Arboner Gerberei von Max Gimmel Leder an die Möbel- und Flugzeugindustrie, bis das Unternehmen Ende 2012 die Produktion einstellte. Mit dem Verschwinden der letzten industriellen Oberleder-Gerberei der Schweiz verlor Andri Lohnke seine Arbeit.

Einige Monate lang pendelte er wöchentlich zwischen Romanshorn und Genf, wo ein ehemaliger Gimmel-Kunde ihn anstellte. Doch auf Dauer war das nichts. Der Familie zuliebe kam ein Wegzug aus der Region jedoch nicht in Frage. Aber was machen?

Traditionsfirma übernommen

Der Zufall half. Ein Kollege machte Lohnke darauf aufmerksam, dass die Eigentümer des Wettinger Leder-Traditionsunternehmens Busslinger aus Altersgründen einen Nachfolger suchen. Lohnke und seine Frau Gina kontaktierten Urs und Yvonne Busslinger und fanden zu ihnen sofort einen «sehr guten Kontakt», welcher wenig später in die Geschäftsübernahme auf den 1. Mai 2013 hin mündete. «Mit der Firma Busslinger konnten wir einen Betrieb übernehmen, welcher eine Vielzahl von sehr guten Vertretungen für die Schweiz führte. Dass wir so gefragte Marken wie Gmelich-Leder, Ohmann Leather oder Bizzarie anbieten können, ist ein grosses Plus», sagt Andri Lohnke. Ergänzt wird die Angebotspalette im Textilbereich durch Stoffe vom Höpke-Textilverlag, der mehr als 6000 Qualitäten in über 100 Kollektionen anbietet – darunter auch Marken wie Joop!.

Von Strauss bis Stachelrochen

Die Lohnkes verkaufen vor allem Rindleder für Möbel, Blankleder oder aber auch diverse geprägte Leder in allen Fassungen. Doch die Romanshorner haben auch Felle und ausgefallenere Tierhäute im Sortiment. «Wir haben zwar nicht alles auf Lager, aber wenn es jemand ganz dringend hat, dann können wir ihm innerhalb von zwei, drei Tagen fast alles in gewünschter Menge besorgen – egal, ob es sich da um Strauss-, Schlangen-, Frosch- oder Fischhäute handelt», sagt Andri Lohnke.

Riesige Mengen setzt er zwar beispielsweise von Lachs- und Stachelrochen-Häuten nicht ab, aber die «Exoten» sind für den Kreativen eine Marktlücke, die es aktiv zu bedienen gilt. Ein weiteres Geschäftssegment könnte für Lohnke Leder und Textil in Zukunft bei den in Italien zunehmend populären «Leder-Teppichen» liegen. «Diese sind schön, bequem und sehr langlebig.»

China treibt den Preis hoch

Zu schaffen macht dem Jungunternehmer die Tatsache, dass der Bedarf an Tierhäuten zurzeit weltweit enorm gross ist. Dies hat nämlich zur Folge, dass die europäischen Gerbereien kaum mehr oder nur sehr schwer an hochqualitative Tierhäute herankommen – und dass die Preise für Leder steigen. Innert kürzester Zeit habe er schon zwei markante Preiserhöhungen hinnehmen müssen, wovon er eine «noch gar nicht auf die Kunden überwälzt» habe, räumt Lohnke ein.

Der Ursprung des Übels liegt gemäss Lohnke im fernen Osten. Genauer gesagt: in China. Denn «die Chinesen kaufen die Rohhäute gleich unbesehen container- oder schiffsweise auf. Das drückt zwar beim Rohstoffhändler auf den Preis, aber die Rohstoffhändler gehen dennoch gerne auf den Handel ein, weil sie so ihre Ware auf einen Schlag verkaufen können», weiss Lohnke.

Wie unglaublich hoch der globale Bedarf an hochwertigem Leder ist, zeigt eine Zahl: Alleine BMW braucht rund 3,5 Millionen Quadratmeter Leder für die eigenen Luxuskarossen, wovon ein grosser Teil nach Asien geht.

Faszinierendes Material

Leder ist für Andri Lohnke nach wie vor ein «absolut faszinierendes und so vielseitiges Material wie kaum ein anderes». Und zudem letztlich komplett krisensicher. «Klar polstert man nicht jedes Jahr sein Sofa mit hochwertigem Leder neu. Aber wir Menschen tragen Leder an den Füssen, am Armgelenk und um die Hüfte herum», sagt Andri Lohnke.