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Cyberbullying – eine echte Gefahr für uns alle?

Samstag, 5. März 2011

Früher wusste die Alten mehr als die Jungen. Dem ist heute nicht mehr unbedingt so – vor allem in Sachen Internet. Doch neben vielen Vorteilen des Web 2.0, lauern auch hier konkrete Gefahren. So war es noch nie so einfach, jemanden zu mobben, wie heute.

CHRISTOF LAMPART

Es ist „Schmutziger Donnerstag“ und in Sirnach toben die Narren durch die Strassen. In Fischingen sitzt zeitgleich eine grosse Elternschar in der Aula der Förderschule Fischingen und kommt sich wie Narren vor. Denn von dem, was im Internet für ihre Kinder der „Normalfall“ ist, hatten sie bis anhin keine Ahnung.

Das Internet vergisst nicht

Ralph Kugler, Leiter des Kompetenzzentrum E-Learning und Dozent für Mediendidaktik und Medienpädagogik an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, ist nicht nur ein glänzender Redner, nein, er weiss auch, wovon er redet. Und das ist nicht immer angenehm. Rund 50 Prozent aller Schüler kennten jemanden, der schon einmal im Internet bloss gestellt worden sei, sagt Kugler. Doch was von Jugendlichen fast immer als unflätiger, zuweilen aber auch rassistischer und sexistischer „Scherz“ verstanden wird, dem der adoleszente Wunsch zugrunde liegt, seine eigenen Grenzen auszuloten, hat  oft ganz andere Konsequenzen als ein Zettel am Anschlagbrett oder ein öffentlicher Wutausbruch.

Denn die „Qualität“ des hochgeladenen „Scherzes“ geht im Web 2.0 weit über eine peinliche Momentaufnahme hinaus. Denn die Jugendlichen sind sich in ihrem Bemühen, sich die Hörner abzustossen, eines nicht bewusst: Im Gegensatz zur Wandtafel, von der eine Beleidigung schnell  mit einem Schwamm weggewischt ist, vergisst das Internet nichts. Was an textlichen Entgleisungen und bildlichen Peinlichkeiten einmal hochgeladen wurde, bleibt auch dort – und zwar für immer. Zwar ist es möglich, Beiträge zu löschen. Aber genauso einfach ist es, das gelöschte Filmchen wieder hochzuladen. Es muss nur jemand davon eine Kopie auf dem PC gespeichert haben. Und da manche zukünftige Lehrmeister und Arbeitgeber sich heute nicht nur auf oftmals geschönte Bewerbungsunterlagen verlassen, sondern lieber selbst mal „googeln“, was der Kandidat so in seiner Freizeit treibt, können sich peinliche Partybildchen durchaus mal als plötzliches Einstellungshindernis oder gar als Karriereknick erweisen. Doch daran denken im Moment des Hochladens die Wenigsten Jugendlichen.

Hilfloses Opfer

Das Phänomen Cyberbullying bezeichnet den Trend, andere im Netz bloss zu stellen, lächerlich zu machen oder gar zu verleumden. Für den Täter ist es leicht, erfolgreich zu sein. Er muss seinem Opfer weder körperlich, noch intellektuell überlegen sein. Das einzige, was er braucht ist eine Bildaufnahme (Stichwort: Handy) des Opfers und einen Internetzugang. Das Perfide ist, dass sich das Opfer kaum wehren kann. Denn tut es das, dann liefert es dem Täter sozusagen neues Material, mit dem er das Opfer weiter öffentlich erniedrigen kann. Damit es sich wirklich um Cyberbullying handelt, müsse vier Aspekte gegeben sein: der Wiederholungsaspekt, ein böser Wille, ein hilfloses Opfer und ein Kräfteungleichgewicht.  Dabei sei es oft nicht einmal entscheidend, wie oft man etwas „uploaded“, sondern wie oft es sich jemand  „downloaded“. Und darauf haben weder der Täter, noch das Opfer einen Einfluss. Der Täter oder die Täterin sieht sich -  in vielen Fällen – einem eher geringen Risiko ausgesetzt. Für das Opfer kann dieses virtuelle Mobbing jedoch ganz reale Folgen haben, haben sich doch schon mehrere Menschen, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, das Leben genommen, weil sie dem Cyberbullying durch andere nicht mehr gewachsen waren.