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Bussen für Stimmabstinenz kein Thema für Gemeinden

Freitag, 20. Dezember 2013

REGION. Der Kanton Schaffhausen brilliert stets mit den deutlich höchsten prozentualen Abstimmungsteilnahmen des Landes. Viele führen dies darauf zurück, dass der Kanton Nichtstimmende büsst. Wäre das Modell auch für die anderen Kantone oder zumindest einzelne Gemeinden in der Region geeignet, um eine höhere Stimmbeteiligung zu erreichen?

CHRISTOF LAMPART

Der Stimm- und Wahlzwang ist historisch gesehen ein «alter Zopf», geht dieser doch auf den jungen Bundesstaat Schweiz zurück. Nach 1848 galt in mehreren Kantonen der Stimmzwang. So zum Beispiel auch in den Kantonen Aargau und Bern, wo er im Jahr 1971 aufgehoben wurde. In der Verfassung des Kantons St. Gallen überlebte dieser Gesetzesartikel sogar noch länger, wurde er doch erst mit der letzten Revision der Kantonsverfassung, im Jahr 2003, aus derselbigen gekippt. Allerdings wurden bei Stimm- und Wahlabstinenz schon lange keine Bussen mehr ausgesprochen.

Kantons- vor Gemeinderecht

Jörg Steiner, Leiter des Dienstes für Politische Rechte des Kantons St. Gallen, hat beruflich die Stimmpflicht «persönlich nicht mehr miterlebt». Der in Bronschhofen aufgewachsene Steiner meint jedoch, sich daran zu erinnern, dass «in meiner Jugend, so vor 40 Jahren, in Bronschhofen noch gebüsst wurde, wer nicht abstimmte», doch ist er sich «nicht ganz sicher». Fände nun aber beispielsweise die Stadt Wil die Einführung einer solchen Busse sinnvoll, so würde sie aller Voraussicht nach vom Kanton zurückgepfiffen, denn «kantonales Recht geht vor irgendwelche Gemeindebeschlüsse. Und die kantonale Gesetzgebung sieht diese Bussenmöglichkeit nicht vor», sagt Steiner.

Nur wer da war, darf rekurrieren

Auch im Thurgau ist die Stimm- und Wahlpflicht kein drängendes Thema, obwohl sie «immer wieder einmal von irgendeiner Seite diskutiert wird», äussert sich der Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau, Andreas Keller. Er sei seit 1987 im Departement und habe noch keinen dringenden Vorstoss in diese Richtung erlebt. Und so schnell wird wahrscheinlich auch keiner mehr kommen, denn gegenwärtig ist der Grosse Rat des Kantons Thurgau mit der Revision des Stimm- und Wahlrechtes beschäftigt. Und in diesem Gesetzesentwurf fand das Büssen von Wahl- oder Stimmabstinenten keine Erwähnung. Als weiteren Grund, weshalb Verwaltung und Regierung einer solchen Busse tendenziell ablehnend gegenüberstünden, erwähnt Keller schlicht den grossen administrativen Aufwand.

Allerdings gibt es im Thurgau sozusagen noch ein «Überbleibsel» des Stimmzwangs. Wer an einer Gemeindeversammlung (Schule oder Politische Gemeinde) im Nachhinein einen Einspruch gegen ein Geschäft beim jeweils zuständigen Departement einlegen möchte, muss an der Versammlung selbst zugegen gewesen sein. «Hier wird der Bürger sozusagen in die Pflicht genommen. Er muss anwesend sein, sonst hat er keine Chance, auf ein Geschäft zurückkommen zu können», sagt Keller.

Mehr Kosten als Einnahmen

Doch auch wenn er sich fast überall überlebt hat oder sogar ganz aus den kantonalen Gesetzen gestrichen wurde, so bleibt doch die Frage, ob dies denn sinnvoll ist. Denn das «Schaffhauser Modell» der sanktionierten Stimm- und Wahlpflicht ist unbestreitbar ein Erfolgsmodell. Obwohl die Stimmabstinenz-Bussen seit dem Jahr 1973 mit drei Franken äusserst gering sind und somit nicht einmal die administrativen Kosten decken, liefern die Schaffhauser stets Wahl- und Abstimmungsresultate, die weit über dem (ost)schweizerischen Durchschnitt liegen. Allerdings wird es wohl in naher Zukunft eine kleine Änderung geben. Am 28. November 2013 teilte die Staatskanzlei Schaffhausen mit, dass der Regierungsrat aufgrund einer Motion des Stadt-Schaffhauser Kantonsrates Thomas Hauser (FDP) eine Teilrevision des kantonalen Wahlgesetzes anstrebt.

Busse verdoppeln

Die Motion sieht vor, dass die «Gebühr für die unentschuldigte Nichtteilnahme an Abstimmungen und Wahlen» auf sechs Franken angehoben werden soll. Allerdings wird auch mit dieser Verdoppelung der Busse der Geldbeutel der Schaffhauser geschont. Denn würde die Teuerung seit dem Jahr 1973 ganz genau berücksichtigt, so müsste der Kanton demnächst etwa sieben Franken bei den Nichtstimmenden einziehen.