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Bittere Ernte für süsse Jubilarin

Dienstag, 17. September 2013

In den kommenden Tagen startet die Zuckerfabrik Frauenfeld nicht nur die Zuckerkampagne, sondern auch ihre 51. Saison. Der Ernteertrag 2013 fällt eher mässig aus. Werkleiter Joachim Pfauntsch sieht dennoch positiv in die Zukunft.

CHRISTOF LAMPART

 FRAUENFELD. Ohne Zucker ist das Leben für manchen Zeitgenossen wohl nur halb so süss. Insbesondere in den Anwendungsbereichen Getränke, Backwaren und Schokolade findet Zucker nach wie vor einen guten Absatz.

Rund 85 Prozent des Frauenfelder Zuckers geht in die Industrie, 15 Prozent in den Detailhandel. Und dennoch ist der Rohstoff weit davon entfernt, eine krisensichere Ware zu sein, die sich zu jeder Zeit wie geschnitten Brot verkauft. «Diese Zeiten sind definitiv vorbei und dürften auch nicht wieder kommen. Dafür ist die globale Konkurrenz einfach zu gross», sagt Joachim Pfauntsch, welcher seit 15 Jahren bei der Zuckerfabrik Frauenfeld als Werkleiter angestellt ist.

Bis 20 Prozent weniger Ertrag

Obwohl in diesem Herbst noch keine Traktoren ihre Zuckerrüben in Frauenfeld abgeliefert haben, geht Pfauntsch bereits jetzt schon davon aus, dass der Ernteertrag 10 bis 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr und dementsprechend auch die Zahl an Zuckerrüben-Anlieferungen schrumpfen wird. Waren es im Jahr 2012 noch mehr als 800 000 Tonnen Rüben, so werden es jetzt gegen 700 000 Tonnen sein, die in Frauenfeld verarbeitet werden. Aus einer Tonne Rüben entstehen in der Zuckerfabrik dabei etwa 150 Kilogramm Zucker.

Lieferengpässe vermeiden

Der Nettobedarf an Zucker in der gesamten Schweiz beläuft sich auf circa 230 000 Tonnen. Schuld an der diesjährigen, unterdurchschnittlichen Ernte war vor allem die schlechte Witterung im ersten Semester 2013. Bis Ende Juni war es in den hiesigen Breitengraden einfach zu kühl und nass, so dass die Rüben erst spät gesät werden konnten, zu klein gerieten und darüber hinaus nur einen verhältnismässig geringen Zuckergehalt aufbauen konnten. Immerhin waren die Ernteerträge in den Jahren zuvor gut, so dass die Zuckerfabrik Frauenfeld grosse Depots anlegen konnte, «die wir jetzt aufbrauchen», sagt Pfauntsch. Und kommt es wirklich einmal zu Engpässen, «dann müssen wir unseren Kunden über Importe Zucker besorgen», so der gebürtige Bayer. Denn es gilt vor allem eine Maxime: «Wir müssen alles tun, damit wir unsere Kunden auch in knappen Zeiten mit Zucker beliefern können. Denn ein Kunde, der sich anders orientiert hat, ist schwerlich zurückzuholen», weiss der Werkleiter.

An vielen Schrauben gedreht

Grundsätzlich sieht Pfauntsch die Zuckerfabrik auch im Alter von 50 Jahren geschäftlich gut aufgestellt. Der Betrieb habe in den letzten Jahren an vielen Schrauben gedreht, um Verbesserungen zu erreichen. Der Maschinenpark wurde modernisiert, der Energiebedarf gesenkt, die Personaldecke gestrafft, die Zuckerqualität und die Lieferbereitschaft erhöht, und nicht zuletzt wurde auch die Zuckerrüben-Anbaufläche erhöht, insbesondere in einem grösseren Schritt vor etwa sechs Jahren.

Kunststoff aus Rüben?

All diese Massnahmen waren aber auch notwendig, denn im internationalen Vergleich ist die ZAF AG nur ein kleiner Player. «Zurücklehnen können wir uns auch weiterhin sicher nicht, dazu ist die Konkurrenz auf dem Weltmarkt einfach zu gross», räumt denn auch Joachim Pfauntsch ein.

Damit die Zuckerfabrik Frauenfeld auch weitere 50 Jahre noch bestehen könne, muss auch stets die Produktpalette angepasst und ausgeweitet werden. «Vor 15 Jahren gab es beispielsweise noch keinen Biozucker und noch keinen Dicksaft für die Backhefe-Industrie», sagt Joachim Pfauntsch. Beides Produkte, welche sich im Markt behaupten konnten.

Auch zukünftig will man verwandte Geschäftsfelder erschliessen. Denk-Tabus gibt es dabei keine. «Zuckerrübenschnitzel und Zuckerrübenmelasse lassen sich sicherlich auch noch anders verwenden, als bisher lediglich im Futtermittelbereich. So sind hier bereits Anwendungen als Energielieferant oder als Grundstoff für biotechnologisch hergestellte Wertstoffe bekannt, wie zum Beispiel Biokunststoffe.»