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Bischofszell: Ignorierte Albert Knoepfli historische Fakten?

Mittwoch, 23. September 2015

Das Thurgauer Staatsarchiv sowie die Ämter für Denkmalpflege und Archäologie luden zu einer wissenschaftlichen Tagung nach Frauenfeld ein. Thema war die Geschichte Bischofszells im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. CHRISTOF LAMPART

BISCHOFSZELL. Mit dem Archiv des Kollegiatsstifts St. Pelagii (9. Jahrhundert bis 1848) hat das Staatsarchiv Thurgau 2014 den ersten der insgesamt elf Archivbestände thurgauischer Klöster und Stifte bis auf Stufe Einzeldokument erschlossen und über das Netz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Aus diesem Anlass und um die dadurch geschaffenen Forschungsgrundlagen durch weiterführende Untersuchungen zu vertiefen, lancierte das Staatsarchiv in Zusammenarbeit mit dem Amt für Archäologie und dem Amt für Denkmalpflege im Frühjahr 2013 ein Forschungsprojekt unter dem Titel «Stift und Stadt Bischofszell und Umgebung in Mittelalter und Früher Neuzeit». Die Resultate dieser Arbeit wurden letzte Woche während dreier Tage in Frauenfeld präsentiert und diskutiert.

Grosses Interesse

Die Tagung fand im Staatsarchiv statt und wurde zu den Spitzenzeiten von nicht weniger als 60 Historikern, Archäologen und sonstigen Wissenschaftern besucht. Tagungsleiter Hannes Steiner strich vor allem die spannenden Diskussionen vor und nach den Referaten hervor. «Das Ganze hatte irgendwie den Charakter eines Kolloquiums. Man diskutierte angeregt und gab sich gegenseitig Forschungstips», freute sich Steiner.

Schrecksekunde erlebt

Abgeschlossen wurde die Tagung am Samstag mit einer Exkursion nach Bischofszell und Hauptwil. Bei der Carfahrt durch die Gottshauser Weiherlandschaft kam es zu einer Schrecksekunde für die Wissenschafter. «Wir hatten gar nicht daran gedacht, wie eng die Strassen dort sind, so dass wir mit dem Car nur ganz knapp vorbeigekommen sind», erzählte Steiner.

Weniger auf-, dafür aber umso anregender war das Referat, das am Freitagmittag der Historiker André Gutmann hielt. Es hiess «Von der Stiftsschule zu den konfessionellen Schulen» und beleuchtete das Schulwesen in und um Bischofszell in den Jahrzehnten während der Reformation.

Über den Schulstoff, der kurz vor und nach der Reformation gelehrt wurde, gibt es zwar keine Angaben, doch seien Lesen, Schreiben und Latein garantiert als selbstverständlich angesehen worden, denn schliesslich habe man die Schüler an «den liturgischen Bereich heranführen und somit die Basis für den klerikalen Nachwuchs legen wollen», erklärte Gutmann. 1529 hielt die Reformation in Bischofszell Einzug, und es wurde auch eine Aufteilung der Schulpfründe und der Schulräume angestrebt.

Konfessionelle Schulmeister

Bei der Rekatholisierung Bischofszells 1531 war der Stadtrat sehr auf die reformierten Positionen bedacht gewesen. Durchgesetzt wurden die eigenen Schulmeister für beide Konfessionen allerdings erst fünf Jahre später. Mit dem Rücktritt des langjährigen Schulmeisters Ulrich Grülich 1536, der 16 Jahre lang in Bischofszell gewirkt hatte, begann eine lange Zeit, in der es – egal, ob sich dabei um katholische Stiftsschulmeister oder um evangelische Stadtschulmeister handelte – kaum ein Pädagoge länger als zwei Jahre am Zusammenfluss von Sitter und Thur aushielt.

Gutmann machte auf einen merkwürdigen Umstand aufmerksam. Obgleich es auch nach der Reformation noch ganz klar eine Liste mit Stiftsschulmeistern gegeben habe, sei die moderne Geschichtsschreibung – unter anderem auch Albert Knoepfli – davon ausgegangen, dass es später nur noch eine städtische, reformierte Schule gegeben habe. «Knoepfli hat die Stiftsschulmeister-Liste schlicht ignoriert. Bedauerlicherweise hat bis anhin auch niemand in der neueren Forschung diese Sache bemerkt», sagte Gutmann.