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Aufstrebende Religion rettete Weinkultur

Sonntag, 8. Dezember 2013

Der Thurgau ist heute ein aufstrebender Weinkanton mit vielen hervorragenden Winzern. Doch das war nicht immer so. Zumal die Germanen vor 2000 Jahren andere alkoholische Getränke favorisierten. Für die Etablierung des Rebensaftes war schliesslich das Christentum verantwortlich.

CHRISTOF LAMPART

 FRAUENFELD. Wie kam der Wein in unsere Gegend? Und was brauchte es ausser viel Sonne und Südlagen alles, damit er hier «sesshaft» wurde? Auf diese und andere Fragen versuchte am Sonntagvormittag in Frauenfeld, im Archäologischen Museum des Kantons Thurgau, Kantonsarchäologe Hansjörg Brehm auf einem Rundgang Antworten zu geben.

Weisstannenfass für Billigwein

Der Wein, welcher am Sonntagvormittag nach Beendigung der Führung dem Publikum kredenzt wurde, war ein edler Tropfen vom Ottenberg und somit sicherlich ein Rebensaft, welcher in der Antike in einer hochwertigen Amphore und nicht in einem billigen Weinfass über die Alpen transportiert worden wäre. Denn nach dem knapp einstündigen Exkurs in die Trinkgewohnheiten unserer Ahnen, war wohl allen 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern beim Rundgang klar, dass zwar heute edle Eichenfässer dazu benötigt werden, um einen Barrique auszubauen, zu den Zeiten von Cäsar, Augustus und Nero jedoch Weisstannen-fässer für die billige Massenware gebraucht wurden. Die Fässer waren meistens undicht und wurden mit einer harzigen Mischung abgedichtet.

Heute kaum geniessbar

Dennoch dürfte nach heutigen Massstäben wohl kaum ein aromatischer Retsina daraus entstanden sein. «Tatsächlich wissen wir heute nicht genau, was in diesem Gemisch alles enthalten war, aber mit grösster Wahrscheinlichkeit würde heute niemand mehr diesen Wein trinken», mutmasste Brem.

«Stück Heimat» für Legionäre

Gleichwohl gehörte das Weintrinken im Thurgau zu den Zeiten der Römer zum kultivierten Ton – auch wenn die germanischen Stämme lieber Met tranken. Für die in Tasgetium (Eschenz) und Ad Fines (Pfyn) ansässigen Legionäre bildete der teuer importierte Wein «ein Stück Heimat», so Brem. Und auch in Grabbeigaben wurden Trinkgefässe, im Hausmüll Weinkerne gefunden. Dennoch drohte dem Weintrinken im Verlauf des vierten Jahrhunderts nach Christus in unseren Breitengraden das Aus. Denn mit dem einsetzenden Zerfall des römischen Weltreiches, des immer kälter werdenden Klimas (Frost) und der zugleich schwierigen Weingewinnung (Waldrodung, Terrassierung) gewannen andere Sorten von Alkohol wie das Bier und der Met zunehmend die Oberhand.

Dank der Kirche etabliert

Dass der Wein trotz der schlechten Vorzeichen sich dennoch nicht nur in der besseren Gesellschaft, sondern beim gemeinen Volk etablieren konnte, war der Kirche zu verdanken, denn die damals sich auf einem Siegeszug befindliche Religion stellt ja den Wein in den Mittelpunkt ihrer Lehre. Und somit konnte in der Gesellschaft auf den Wein erst recht nicht mehr verzichtet werden.