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Abrechnung ohne Gift und Galle

Freitag, 4. Januar 2013

Mit Alan Ayckbourns böser Weihnachtsfarce «Frohe Feste» heisst die Bühni Wyfelde seit Silvester ihr Publikum im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden willkommen. Das Ensemble überzeugt voll und ganz, die Inszenierung weniger.

CHRISTOF LAMPART

WEINFELDEN. Mit ihren Inszenierungen hat die Bühni Wyfelde in den letzten Jahren das eigene Niveau wie auch die Erwartungen des Publikums Stück für Stück in künstlerische Höhen geschraubt. Und sich so ein Publikum zugeneigt gemacht, das auch dann Karten bestellt, wenn es das Stück eigentlich noch gar nicht kennt. Wer über einen solchen Vertrauensvorschuss verfügt, sollte ihn schlau nutzen.

Da liegt das Problem der diesjährigen Produktion. Nämlich bei der Stückwahl beziehungsweise deren Umsetzung. Denn «Frohe Feste» (Regie: Hilde Schneider) fühlte sich, trotz bekannter Thematik – wie schafft man es am besten, andere zu beherrschen? – irgendwie die ganze Zeit fremdartig und ohne Biss an. Warum war dem so?

Ensemble spielt ausgezeichnet

Als das Licht erlosch (die Thurgauer Zeitung hat die erste der zwei Premierenvorstellungen an Silvester besucht), hielt sich der Applaus des Publikums in Grenzen, sind doch fünf Vorhänge bei einer Premiere eher wenig als viel. Woran mag die Zurückhaltung des Publikums gelegen haben? Die Leistung des Ensembles war – abgesehen von der anfänglichen Nervosität des Sidney-Darstellers Tam Truong; der sich jedoch rasch fing – ausgezeichnet. Die Crew um Thomas Götz (als lüsternen Möchtegern-Dandy Geoffrey) und Heinz Wiederkehr (als grobmotorisch veranlagten Banker Ronald) spielte hervorragend auf. Roulah Hammouda (als putzwütige und nervöskichernde Jane), Ingrid Isler (als blasierte Säuferin Marion) und Christina Steiger (als ständig suizidgefährdete Eva) haben ihre Rollen einwandfrei verkörpert. Das Bühnenbild (Peter Affentranger) und die Kostüme (Tanja Gross) waren gelungen; die Beleuchtung (Christian Stricker) sorgte mal für stimmungsvolle Kontraste, mal für eine gnadenlose Ausleuchtung des Geschehens. Und doch ertappte man sich selbst am Ende bei einem «Und-das-war-jetzt-alles?»-Gefühl.

Vielleicht lag es daran, dass sich die «Bühni» an einem Werk aus dem englischen Sprachraum versucht hat, ohne dabei Handlung und Pointen dem deutschen oder schweizerischen Verständnis anzugleichen. Denn was in den letzten Jahren bei anderen englischsprachigen Theaterstücken wie Michael Frayns «Der nackte Wahnsinn» oder Neil Simons «Sonny Boys» aufgrund ihres enormen Slapstick-Potenzials problemlos und auch bei Agatha Christies «Mausefalle» aufgrund der verschrobenen Charaktere noch gut funktionierte, nämlich die plausible Darstellung eines fremden Lebensgefühls, klappt hier für einmal nicht.

Zuspitzung bleibt aus

Die Stücke des Engländers Alan Ayckbourn handeln nicht allgemeingültige, menschliche Schwächen ab, sondern sezieren explizit die Schwächen der oberen englischen Mittelschicht. Und diese elitäre Bevölkerungsschicht ist uns demokratisch denkenden Schweizern zwar nicht unbekannt, aber doch wesensfremd.

Deshalb hätte es der Produktion gut getan, wenn der elitäre Dünkel in der Inszenierung noch stärker betont worden wäre, hätte sich doch dann die bitterböse Giftigkeit und Galligkeit von Ayckbourns Farce richtig erfassen lassen. Zwar hoffte man bis am Schluss auf eine kongruente Zuspitzung von Wort und Bild, doch sie ist leider ausgeblieben.

Weitere Vorstellungen: 4.–6., 9., 11.–13., 16., 18.–20., 23.–26.1., 20.15, So 17.15 Uhr; Abendkasse und Bar 45 Minuten vor Beginn. Reservation und Vorverkauf: 079 437 79 65, Theaterhaus Thurgau, Weinfelden (Mi/Sa 14–16 Uhr) oder online. www.buehniwyfelde.ch